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Pflegemodellrechnung für NRW

Pflegemodellrechnung - Teaserbild

Pflegemodellrechnung für NRW

Entwicklung der Pflegebedürftigkeit im Land sowie in den Kreisen und kreisfreien Städten bis 2050/2070

1,2 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen waren im Jahr 2021 pflegebedürftig im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Das entspricht etwa 6,6 Prozent der Bevölkerung in NRW. Mehr als die Hälfte der Pflege­bedürftigen bezog ausschließlich Pflegegeld (55,0 Prozent); das heißt, die Versorgung erfolgte über selbst organisierte Pflegehilfen. Einen ambulanten Pflegedienst nahm knapp ein Fünftel (19,7 Prozent) in Anspruch, während 14,0 Prozent der Pflegebedürftigen in vollstationärer Dauer- oder Kurzzeitpflege versorgt wurden. Die meisten Pflege­bedürftigen hatten den Pflegegrad 2 (41,8 Prozent) oder 3 (28,4 Prozent).

Wie sich der Umfang und die Art der Pflegebedürftigkeit in den kommenden Jahrzehnten weiter entwickeln könnte, zeigt die aktuelle Pflegemodell­rechnung für Nordrhein-Westfalen. Diese Modell­rechnung basiert auf Daten der aktuellen Bevölkerungs­vorausberechnung und der amtlichen Pflege­statistik. Die Ergebnisse für alle Kreise und kreisfreien Städte liegen bis zum Jahr 2050 und auf Landesebene bis 2070 vor.

Ergebnisse für das Land NRW

Ausgehend von 1,2 Millionen Pflegebedürftigen in NRW im Jahr 2021 wird diese Zahl laut Pflegemodellrechnung bis 2050 um 30,4 Prozent auf knapp 1,6 Millionen ansteigen. Bis zu diesem Zeitpunkt kommen die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten „Babyboomer-Generation“ in das Alter mit hohem Pflegebedürftigkeitsrisiko, wodurch in den 2050er-Jahren auch die höchsten Zahlen Pflegebedürftiger im Berechnungszeitraum erwartet werden. Ab 2055 ist trotz eines schwachen Rückgangs von rund zwei Prozent bis 2070 weiterhin mit über 1,5 Millionen Pflegebedürftigen zu rechnen.
Dieser Verlauf unterscheidet sich bei differenzierter Betrachtung von Männern und Frauen kaum. Mit einem Frauenanteil von über 60 Prozent im gesamten Berechnungszeitraum werden Frauen voraussichtlich auch in Zukunft die Mehrheit der Pflegebedürftigen ausmachen.

Pflegebedürftige 2021 bis 2070 nach Geschlecht

Daten zum Download

Im Ausgangsjahr 2021 waren die 80- bis unter 90-Jährigen die größte Altersgruppe unter den Pflegebedürftigen und werden es auch im Jahr 2070 sein. Im Zeitverlauf wird die Zahl Pflegebedürftiger dieses Alters ab 2030 ansteigen und voraussichtlich im Jahr 2050 ihr Maximum erreichen (+45,2 Prozent gegenüber 2021). Nach einem anschließenden Rückgang und leichten Wiederanstieg werden zum Ende des Berechnungszeitraums immer noch 27,6 Prozent mehr Pflegebedürftige in dieser Altersgruppe erwartet als im Basisjahr 2021.

Die Gruppe der 90-Jährigen und Älteren, die 2021 die zweitkleinste Altersgruppe darstellte, wird insgesamt den stärksten Zuwachs verzeichnen und zur zweitgrößten Altersgruppe anwachsen. Bis zum Jahr 2060 wird die Zahl der Pflegebedürftigen in diesem Alter um mehr als das 2,5-fache im Vergleich zu 2021 gestiegen sein. Trotz eines anschließenden Rückgangs ist im Jahr 2070 weiterhin mit mehr als doppelt so vielen hochaltrigen Pflegebedürftigen zu rechnen wie im Ausgangsjahr (+112,5 Prozent gegenüber 2021).

Pflegebedürftige 2021 bis 2070 nach Altersgruppen

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Auch die Altersgruppe der 70- bis unter 80-Jährigen wird anwachsen und im Jahr 2040 ihren Höchststand erreichen (+50,9 Prozent gegenüber 2021). Danach wird die Zahl Pflegebedürftiger in diesem Alter wieder zurückgehen, ihr Ausgangswert wird im Jahr 2070 aber trotzdem noch um mehr als ein Viertel übertroffen werden.

Bei den beiden jüngsten Altersgruppen ist hingegen mit einer Abnahme der Pflegebedürftigen bis 2070 zu rechnen. Die Zahl der 60- bis unter 70-Jährigen wird im Jahr 2030 zunächst ihr Maximum erreichen; 2070 wird sie allerdings um 16,6 Prozent gegenüber 2021 gesunken sein. Bei den unter 60-Jährigen wird die Zahl Pflegebedürftiger demgegenüber kontinuierlich um insgesamt 8,5 Prozent bis zum Jahr 2070 zurückgehen.

An den jeweiligen Verläufen der einzelnen Altersgruppen wird deutlich, welchen Einfluss die Gruppe der „Babyboomer“ auf die Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in NRW hat. So wird diese sich im Jahr 2030 im Alter zwischen 60 und 70 Jahren befinden und die Zahl der Pflegebedürftigen dieses Alters dann auf ihren Höchststand im Berechnungszeitraum bringen. Jeweils etwa zehn Jahre später werden dann auch die Höchststände der nächsthöheren Altersgruppen erreicht.

Differenziert nach der Art der Pflegeleistung stellen die Pflegebedürftigen, die ausschließlich Pflegegeld beziehen, über den gesamten Berechnungszeitraum hinweg mit einem Anteil von jeweils über 50 Prozent die größte Gruppe unter den Pflegeleistungsempfängerinnen und -empfängern dar. Im Jahr 2050 kann bei dieser Leistungsart mit 820 000 Pflegebedürftigen gerechnet werden, was einem Anstieg von 25,2 Prozent im Vergleich zu 2021 entspricht.

Das größte prozentuale Wachstum ist bei der stationären Pflege zu erwarten. Hier wird die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2050 um fast 50 Prozent ansteigen. Auch die Zahl pflegebedürftiger Personen, die Leistungen ambulanter Pflegedienste in Anspruch nehmen, wird bis 2050 um fast 40 Prozent zunehmen. Der Anstieg der Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1, die keine oder ausschließlich Leistungen nach Landesrecht beziehen, wird mit 19,1 Prozent vergleichsweise schwächer ausfallen (weitere Informationen zum Pflegegrad 1 siehe Abschnitt „Datengrundlage und Methode“).

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Im Ausgangsjahr 2021 war der Großteil der Pflegebedürftigen in Pflegegrad 2 (41,8 Prozent) und 3 (28,4 Prozent) eingestuft (Informationen zum System der Pflegegrade siehe Abschnitt „Datengrundlage und Methode“). Auch zukünftig – über den gesamten Berechnungszeitraum hinweg – werden die Pflegegrade 2 und 3 die häufigsten Pflegegrade bleiben. Die Zahl der Personen mit Pflegegrad 2 wird dabei bis zum Jahr 2050 um fast 30 Prozent ansteigen, für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 3 wird mit +32,5 Prozent ein noch höherer Anstieg bis 2050 erwartet.

Mit den größten prozentualen Zuwächsen im Berechnungszeitraum ist allerdings in den Pflegegraden 4 und 5 zu rechnen. Bis 2060 wird die Zahl der Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 4 um 38,0 Prozent ansteigen, während bei Personen mit Pflegegrad 5 ein Anstieg von 35,4 Prozent zu erwarten ist.

Pflegebedürftige nach Pflegegraden

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Ergebnisse für die Kreise und kreisfreien Städte

Zahl der Pflegebedürftigen steigt am stärksten in den Kreisen

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich laut Pflegemodellrechnung bis 2050 in allen kreisfreien Städten und Kreisen in Nordrhein-Westfalen erhöhen. Die Zuwächse werden aber regional sehr unterschiedlich ausfallen: Die höchsten Anstiege werden in den Kreisen Coesfeld (+63,5 Prozent), Borken (+57,2 Prozent) und Euskirchen (+54,1 Prozent), die niedrigsten in Hagen (+8,3 Prozent), Gelsenkirchen (+8,8 Prozent) und Duisburg (+11,6 Prozent) erwartet.

Es zeigt sich: Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird in den Kreisen stärker zunehmen als in den kreisfreien Städten. So ist in 22 von 31 Kreisen mit einem Anstieg über dem Landesdurchschnitt von 30,4 Prozent zu rechnen. Überdurchschnittliche Zuwachsraten werden demgegenüber nur in vier der 22 kreisfreien Städte erwartet: in Münster (+48,8 Prozent), Bonn (+38,7 Prozent), Köln (+34,3 Prozent) und in Bottrop (+33,3 Prozent).

Die Kreise mit den höchsten zu erwartenden Anstiegen ragen auch bei Betrachtung der regionalen Veränderungsraten differenziert nach den verschiedenen Pflegeleistungsarten hervor. So ist im Kreis Coesfeld bis 2050 auch mit der größten Veränderung der Zahl der Pflegebedürftigen in stationärer Pflege (+90,8 Prozent), mit ausschließlich Pflegegeldleistungen (+51,0 Prozent) sowie mit Pflegegrad 1 mit ausschließlich landesrechtlichen Leistungen (+42,5 Prozent) zu rechnen. Nur bei den Pflegebedürftigen in ambulanter Pflege wird im Kreis Euskirchen (+85,7 Prozent) ein höherer Wert als in Coesfeld (+77,6 Prozent) erwartet.

Prozentuale Veränderung der Pflegebedürftigen in den Kreisen und kreisfreien Städten NRWs 2050 gegenüber 2021 insgesamt und nach Art der Pflegeleistung

 

Land NRW:
Insgesamt: +30,4 Prozent; Ambulante Pflege: +38,1 Prozent; Stationäre Pflege: +48,9 Prozent; Pflegegeldempfänger/-innen: +25,2 Prozent; Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 und ausschließlich landesrechtlichen bzw. ohne Leistungen: +19,6 Prozent

Datengrundlage und Methode

Mit der Pflegemodellrechnung soll eine mögliche zukünftige Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in NRW dargestellt werden. Grundlage hierfür sind die Ergebnisse der aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung für NRW 2021-2050/2070 sowie Daten der amtlichen Pflegestatistik und der Bevölkerungsfortschreibung aus den Jahren 2019 und 2021.

Betrachtet werden Pflegebedürftige im Sinne des SGB XI differenziert nach Geschlecht, Altersgruppen, Pflegegraden und Art der Pflegeleistung. Die Pflegegrade sind dabei nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung der Selbstständigkeit in fünf Ausprägungen unterteilt. Personen mit Pflegegrad 1 haben eine geringe Beeinträchtigung und keinen Anspruch auf Pflegegeld oder stationäre Pflege. Stattdessen besteht unter anderem ein Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro im Monat, welcher auch für Leistungen der stationären oder ambulanten Pflege oder für Leistungen nach Landesrecht (siehe Anerkennungs- und Förderungsverordnung [AnFöVO]) verwendet werden kann. Bei Personen mit Pflegegrad 5 liegen die schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit vor.

Bei der Pflegeleistungsart wird unterschieden zwischen Empfängerinnen und Empfängern von ausschließlich Pflegegeldleistungen, ambulanten Pflegedienstleistungen, stationärer Pflege sowie Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1, die keine bzw. ausschließlich landesrechtliche Leistungen beziehen. Empfängerinnen und Empfänger von teilstationärer Pflege erhalten im Normalfall zusätzlich ambulante Pflege oder Pflegegeld und sind dementsprechend in der jeweiligen Kategorie erfasst. Eine Ausnahme bilden die Empfängerinnen und Empfänger von teilstationärer Pflege mit Pflegegrad 1, die keinen Anspruch auf Pflegegeld haben und der stationären Pflege zugeordnet werden.

Die Ergebnisse der Bevölkerungsvorausberechnung und damit auch der Pflegemodellrechnung reichen für die kreisfreien Städte und Kreise bis zum Jahr 2050, für das Land Nordrhein-Westfalen zusätzlich bis zum Jahr 2070. Nähere Informationen zur Methode und zu verwendeten Annahmen bezüglich des zukünftigen Verlaufs der demografischen Bewegungskomponenten (Geburten, Sterbefälle und Wanderungen) können der Veröffentlichung Bevölkerungsvorausberechnung für NRW entnommen werden.

Für die Pflegemodellrechnung, die die zukünftige Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen in NRW abbilden soll, müssen Annahmen über das zukünftige Pflegerisiko getroffen werden. Hierfür wurden auf Grundlage der jüngsten Ergebnisse der Pflegestatistik (2019 und 2021) Pflegequoten berechnet. Die Pflegequoten entsprechen den alters- und geschlechtsspezifischen Anteilen der pflegebedürftigen Personen an der jeweiligen Bevölkerung. Bei der Annahmensetzung waren einige Besonderheiten zu beachten:

Aus den Daten der Pflegestatistik lässt sich seit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017 ein überdurchschnittlicher Anstieg der Pflegequoten ablesen (siehe IT.NRW). Dieser ist jedoch fast ausschließlich auf einen Einführungseffekt zurückzuführen (siehe Rothgang/Müller 2021). Dieser Einführungseffekt hat sich bis zum Jahr 2021 abgeschwächt und zeigte sich nur noch bei denjenigen Gruppen, die besonders von der Pflegereform betroffen waren.

Demnach war bei Pflegegeldempfängerinnen und -empfängern und den unteren Pflegegraden im Jahr 2021 gegenüber 2019 immer noch ein merklicher Anstieg der Pflegequote zu verzeichnen.

Da keine konkreten Annahmen darüber getätigt werden können, ob der Einführungseffekt in den letztgenannten Gruppen nach 2021 weiterbesteht, wurde grundsätzlich der jeweilige Durchschnitt der Pflegequoten aus den Jahren 2019 und 2021 berechnet und für den gesamten Prognosezeitraum als konstant festgesetzt. Das heißt die alters- und geschlechtsspezifische Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden, wird als gleichbleibend angenommen.

Da die Entwicklungen der Empfängerinnen und Empfänger von ausschließlich Pflegegeldleistungen sowie die der Pflegebedürftigen der Pflegegrade 1 bis 4 (unabhängig von der Leistungsart) weiterhin vom Einführungseffekt betroffen sein könnten, wurde hier nur das Jahr 2021 (und nicht der Durchschnitt aus 2019 und 2021) als Referenz für die zukünftigen Pflegequoten genutzt. Dies dient dazu, einer Unterschätzung der Pflegequoten in diesen Gruppen entgegenzuwirken.

Für die Pflegequoten der ambulanten oder stationären Pflege sowie für den Pflegegrad 5 bei der Betrachtung nach Pflegegraden wurde hingegen der Durchschnitt aus 2019 und 2021 als Referenz für die zukünftigen Quoten verwendet.

Um die erwartete Zahl Pflegebedürftiger zu ermitteln, wurden die wie oben beschrieben festgelegten zukünftigen Pflegequoten mit den korrespondierenden alters- und geschlechtsspezifischen Bevölkerungszahlen auf Kreis- bzw. Landesebene aus der Bevölkerungsvorausberechnung multipliziert.

Die Berechnungen der Pflegemodell­rechnung basieren auf den oben beschriebenen Annahmen über zukünftige Pflege­quoten sowie auf den Annahmen zur demografischen Entwicklung aus der Bevölkerungs­voraus­berechnung. Folglich sind die Ergebnisse nicht als fest zu erwartende Entwick­lungen aufzufassen, sondern müssen als „Wenn-dann-Aussagen“ verstanden werden. Die Ergeb­nisse können somit nicht als präzise Prognos­ewerte inter­pretiert werden, sondern aus­schließlich als Orientierung in Bezug auf Richtung und Niveau der Entwicklung der Pflege­bedürftigkeit dienen.

Durch die Annahme konstant bleibender Pflege­quoten ergeben sich die dar­gestellten zukünftigen Veränderungen der Pflege­bedürftigkeit in NRW aus­schließlich aus der erwarteten Bevölkerungs­entwicklung. Das heißt, die zukünf­tige demografische Zusammen­setzung der Bevölkerung bestimmt die zu erwartende Zahl der Pflege­bedürftigen und deren Verteilung auf die verschiedenen Pflege­leistungs­arten bzw. Pflegeg­rade.

Annahmen über die Entwicklung des Angebots an Pflegeeinrichtungen oder zu verfügbarem Pflege­personal werden in der Pflege­modell­rechnung explizit nicht getroffen. Ebenso werden mögliche Aus­wirkungen durch gesetzliche Reformen oder Änderungen der Leistungs­strukturen der Pflege­versicher­ungen nicht einbezogen.

Rothgang, Heinz/Müller, Rolf (2021): Barmer Pflegereport 2021: Wirkungen der Pflegereformen und Zukunftstrends. Barmer.